Schädelkult

Schädelkult
Schä|del|kult 〈m. 1; unz.; Volksk.〉 eine Form des Totenkultes, bei der die gereinigten u. oft verzierten Schädel Verstorbener (Häuptlinge, Ahnen) besonders verehrt werden

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Schä|del|kult, der (Völkerkunde):
(bei manchen Naturvölkern anzutreffender) kultischer Brauch der Aufbewahrung u. magischen Verwendung der Schädel [von Ahnen].

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Schädelkult,
 
die religiöse Verehrung der Schädel Verstorbener, wobei der Schädel als Sitz der außerordentlichen (übernatürlichen) Kräfte angesehen wird, deren Träger die Verstorbenen waren. Auf einen Schädelkult im Zusammenhang mit dem Totenkult verweisen möglicherweise schon als bislang älteste Zeugnisse die altsteinzeitlichen Funde von Zhoukoudian in China. Im europäischen Raum stammen Hinweise auf eine kultische Behandlung von Kopf und Schädel des Menschen aus früh- und mittelpaläolithischer Zeit. In der jüngeren Altsteinzeit wurden Schädel in Siedlungen an besonderen Stellen aufbewahrt. Kopfbestattungen der Mittelsteinzeit weisen auf besondere Riten hin, bekanntestes Beispiel hierfür ist das »Schädelnest« aus der Großen Ofnet im Nördlinger Ries. Weit verbreitet war der Schädelkult in der Jungsteinzeit (z. B. Jericho, Çatal Hüyük, Megalithkultur). Überzeugend lässt sich Schädelkult für die La-Tène-Kultur des keltisch-ligurischen Raumes (Provence) nachweisen. In den Oppida von Entremont und Roquepertuse waren in Kulträumen und an Säulen in Nischen menschlicher Schädel (»têtes coupées«) befestigt. In Irland lebte der keltische Schädelkult noch in der mittelalterlichen Bauskulptur der Romanik fort. Eine wichtige Rolle spielt der Schädelkult bei Völkern Melanesiens; hier werden Schädel übermodelliert, bemalt und aufbewahrt (Korwar). Bisweilen dienen Masken oder Körbchen als Ersatz (Zentralafrika).
 
In der Religionsgeschichte wurde der Schädelkult vielfach mit dem Brauch verbunden, sich der im Schädel lokalisierten numinosen Kräfte durch rituelles Essen des Hirns zu bemächtigen. Ebenfalls findet er sich im Kontext der Vorstellung, dass Leben durch Darbringung beziehungsweise Tötung von Leben gewährleistet oder gesteigert wird (Kopfjagd, Schädeltrophäe, Menschenopfer).
 
 
A. E. Jensen: Mythos u. Kult bei Naturvölkern (21960);
 F. Henschen: Der menschl. Schädel in der Kulturgesch. (1966);
 A. Rieth in: Antike Welt, Jg. 2 (1971), H. 2.

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Schä|del|kult, der (Völkerk.): (bei manchen Naturvölkern anzutreffender) kultischer Brauch der Aufbewahrung u. magischen Verwendung der Schädel [von Ahnen].

Universal-Lexikon. 2012.

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